Kein Unterlassungszwang für die Anerkennung von Berufskrankheiten

Die Novellierung des Berufskrankheitenrechts sieht den Wegfall des Unterlassungszwangs als Kriterium für die Anerkennung von Berufskrankheiten vor. Dies betrifft neun der 80 Positionen der Berufskrankheiten(BK)-Liste. Die Unfallversicherungsträger haben danach die Aufgabe, für Betroffene, die unter gefährdenden Bedingungen weiterarbeiten, Prävention anzubieten. Die Betroffenen wiederum sind verpflichtet, bei der Umsetzung mitzuarbeiten. Wir empfehlen dafür einen festgelegten Ablauf.

Zahlenmäßig bedeutsam sind hier vor allem die berufsbedingte Hauterkrankungen (BK 5101), aber auch z. B. berufsbedingte Atemwegserkrankungen (BK 4301/4302). Auch bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäue (BK 2108- 2110) oder Sehnenscheidenentzündungen (BK 2101) sind vom Wegfall des Unterlassungszwangs betroffen.

Laut DGUV-Statistik für das Jahr 2018 waren dies für die bisher vom Unterlassungszwang betroffenen Berufskrankheiten 30 751 (39,4 %) der insgesamt 77 877 angezeigten BKen, 19 685 (51,7 %) der 38 005 in der Kausalität bestätigten, aber aufgrund der fehlenden Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit bisher nicht anerkannten Erkrankungsfälle und 1 428 (7,2 %) der 19 748 anerkannten BKen. Auch bisher waren schon Beschäftigte mit anerkannter Berufskrankheit im Betrieb tätig. Das bewährte Vorgehen muss jetzt auf neue Berufskrankheiten übertragen werden. Gleichzeitig stärkt das neue Berufskrankheitenrecht die Individualprävention im Betrieb. Der Unfallversicherungsträger muss den Betroffenen, die unter gefährdenden Bedingungen weiterarbeiten, Präventionsmaßnahmen anbieten, die Betroffenen sind verpflichtet mitzumachen. Hierdurch sind auch positive Auswirkungen auf die Präventionsmaßnahmen im übrigen Betrieb zu erwarten.

Die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) hat das Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit zu sichern. Betriebsärzten kommt hierbei eine besondere Rolle zu, da sie auf der Grundlage ihrer ärztlichen Expertise den individuellen Gesundheitszustand und den entsprechenden Arbeitsplatz kennen und beurteilen sowie den bzw. die Betroffene individuell beraten können. Neben der individuellen Beratung der Beschäftigten ist die Beratung des Unternehmens hinsichtlich der Arbeitsgestaltung für diese Personengruppe besonders bedeutsam. Betriebsärzte sind daher wichtige Partner bei der Umsetzung von Präventionsmaßnahmen.

Die Herausforderung wird es nun sein, die jeweiligen Aufgaben aufeinander abzustimmen und gemeinsam ein harmonisiertes Verfahren zu entwickeln. Im Mittelpunkt muss dabei das Wohl der von einer Berufskrankheit betroffenen Person stehen.

Dazu empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

  • Im Rahmen der Information der betroffenen Beschäftigten durch die UV-Träger wird ein Einverständnis zur Einbindung des Betriebsarztes ins Verfahren eingeholt.
  • Nach Einwilligung des Beschäftigten wird der zuständige Betriebsarzt informiert.
  • Betrieb, UVT, Beschäftigter, Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit suchen gemeinsam nach Lösungsmöglichkeiten.
  • Unterstützung erfolgt durch die UV-Träger – z. B. ergonomische Gestaltung, Weiterqualifikation von Beschäftigten, berufsfördernde Maßnahmen etc.
  • Der Betriebsarzt begleitet das Verfahren, berichtet an die BG und informiert ggf. in Absprache mit den Betroffenen, wenn Handlungsbedarf bezüglich weiterer Maßnahmen besteht.
  • Bei Bedarf werden weitere Unterstützungsmöglichkeiten eingebunden (z.B. Rentenversicherung, analog des BEM-Verfahrens).

Ziel ist es, die Unternehmen optimal zu unterstützen, betroffene Personen bestmöglich zu begleiten und so auch Prävention und Gesundheitsschutz im Betrieb weiterzuentwickeln.