Fallstricke bei der Abrechnung von Laborleistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)

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Angestoßen durch das Urteil des BGH (1 StR 45/11 – 25. Januar 2012) zum Thema Abrechnung für nicht persönlich erbrachte (Labor-) Leistungen begann eine intensive Diskussion in unserem Berufsstand, wie eine rechtssichere Abrechnung erfolgen kann. Auch viele Betriebsärzte rechnen Laborleistungen auf Grundlage der GOÄ ab. Was müssen Sie beachten, um nicht in Konflikte mit dem Gesetzgeber zu kommen?

Zunächst einmal – Betriebsärzte müssen nicht, aber können nach der GOÄ abrechnen. Betriebsärzten stehen grundsätzlich alle Möglichkeiten einer Honorarvereinbarung offen. Wenn Sie sich aber für die GOÄ entscheiden, müssen Sie sich auch an die dort formulierten Vorgaben halten.

Gültig ist die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl. I S. 210), die zuletzt durch Artikel 17 des Gesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320) geändert worden ist. Der Abschnitt M in der Anlage zur GOÄ beinhaltet das Gebührenverzeichnis für Laboratoriumsuntersuchungen. Nach § 4.2 der GOÄ kann der Arzt Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebührenverzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Hat der Arzt ärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten (§ 4.3).

Gebühren für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis 1,3fachen des Gebührensatzes. Ein Überschreiten des 1,15fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten dies rechtfertigen (§ 4.4).

DER ABSCHNITT M DER GOÄ IST IN VIER BEREICHE UNTERTEILT

 

I.    Vorhalteleistungen in der eigenen, niedergelassenen Praxis

Diese Leistungen (z. B. Glukose, Hämoglobin, BKS, GGT) sind nur berechnungsfähig, wenn die Laboruntersuchung direkt beim Patienten (z. B. im Betrieb) oder in den eigenen Praxisräumen innerhalb von vier Stunden nach der Probennahme bzw. Probenübergabe an den Arzt erfolgt.

II.    Basislabor

Die hier aufgeführten Laborleistungen (Blutbild, Elektrolyte, Enzyme, Blutzuckertagesprofil) dürfen auch dann als eigene Leistungen berechnet werden, wenn diese nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Ärzten ohne eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht werden. Dabei sind ggf. Höchstwerte zu beachten.

III.    Untersuchungen von körpereigenen oder körperfremden Substanzen und körpereigenen Zellen

Hier finden sich z.B. Tumormarker wie PSA und Antikörper gegen Borrelien oder Hepatitis. Diese Leistungen dürfen nur vom Laborarzt abgerechnet werden.

IV.    Untersuchungen zum Nachweis und zur Charakterisierung von Krankheitserregern

Dieser Teil umfasst Anzüchtungen von Bakterien oder Toxinnachweise, auch diese Leistungen dürfen nur vom Laborarzt selbst abgerechnet werden.
Die Gebühren für Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts M umfassen die Eingangsbegutachtung des Probenmaterials, die Probenvorbereitung, die Durchführung der Untersuchung (einschließlich der erforderlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen) sowie die Erstellung des daraus resultierenden ärztlichen Befunds. Mit den Gebühren für die berechnungsfähigen Leistungen sind außer den Kosten – mit Ausnahme der Versand- und Portokosten sowie der Kosten für Pharmaka im Zusammenhang mit Funktionstesten – auch die Beurteilung, die obligatorische Befunddokumentation, die Befundmitteilung sowie der einfache Befundbericht abgegolten.

Bei Weiterversand von Untersuchungsmaterial durch einen Arzt an einen anderen Arzt wegen der Durchführung von Laboruntersuchungen der Abschnitte M III und/oder M IV hat die Rechnungsstellung durch den Arzt zu erfolgen, der die Laborleistung selbst erbracht hat.

Viele Ärzte geben die benötigten Untersuchungen der Klassen M III oder M IV bei einem Speziallabor in Auftrag; die Kosten für die Untersuchungen werden den Patienten allerdings nicht durch das beauftragte Labor, sondern durch den einsendenden Arzt in Rechnung gestellt. Wie auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sehen derartige Konstruktionen gelegentlich vor, dass der Arzt für die Laborleistungen selbst nur einen reduzierten GOÄ-Satz an das Labor zahlt und insofern einen finanziellen Vorteil durch den Weiterverkauf der Leistungen an seine Patienten mit dem üblichen Steigerungsfaktor erzielen kann.

Nach § 4.2 GOÄ darf ein Arzt aber nur „eigene Leistungen“ abrechnen, also Leistungen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Da die Untersuchungen der Klassen M III und M IV durch den Laborarzt durchgeführt wurden, steht dem einsendenden Arzt also gar kein Honoraranspruch für diese Leistungen zu. Durch eine entsprechende Rechnungstellung gegenüber dem Patienten wird nach Auffassung des BGH aber genau dies – wahrheitswidrig – behauptet und der Patient insofern getäuscht. Den Einwand des verurteilten Arztes, er habe in Wirklichkeit stellvertretend für das Labor dessen Honoraranspruch gegenüber den Patienten geltend gemacht, wies das Gericht als ersichtlich vorgeschobene Schutzbehauptung zurück. Nach der gesamten Konstruktion sei gerade nicht gewollt gewesen, dass Vertragsbeziehungen zwischen Labor und Patienten begründet werden, da der Arzt sich durch den „Weiterverkauf“ von Laborleistungen eine auf Dauer gerichtete Einnahmemöglichkeit verschaffen wollte.

Mit der Entscheidung des BGH ist in einer wichtigen Frage des privatärztlichen Gebührenrechts, die auch unter Staatsanwälten umstritten war, Klarheit geschaffen. Betriebsärzte, die ebenfalls Laborleistungen „weiterberechnet“ haben, sollten überprüfen, ob ihr Abrechnungsprozedere Strafbarkeitsrisiken birgt. Höchst problematisch sind dabei Modelle, in denen im Zusammenhang mit der Abrechnung nicht selbst erbrachter Laborleistungen finanzielle Vorteile erzielt werden. Der BGH hält dies als umsatzabhängige „Kick-back“-Zahlung für einen Verstoß gegen das berufsrechtlich statuierte Verbot der Zuweisung gegen Entgelt und betont, dass auch Umgehungskonstrukte unzulässig seien. Aber auch wer seinen Kunden bislang im Sinne des Servicegedankens lediglich zusätzliche Vertrags- und Abrechnungsbeziehungen mit dem beauftragten Labor ersparen wollte und deshalb – ohne eigenen finanziellen Vorteil – die Laborleistungen zusammen mit den eigenen ärztlichen Leistungen liquidierte, sich aber dabei auf die spezifizierte Abrechnung mit GOÄ-Ziffern bezog, sollte diese Praxis vor dem Hintergrund der bestehenden Strafbarkeitsrisiken überdenken.